A Good Walk Spoiled …

… könnte man im allerweitesten Sinne übersetzen mit „ein verwöhnter Spaziergang“. Als jedoch John Feinstein sein Buch mit dem gleichnamigen Titel veröffentlichte, da ging es ihm nicht um die Sonnenseiten unseres Sports. Nein, es geht – mit wunderbarer aber leider nur englischen Feder geschrieben – in erster Linie um all den Schmerz, der den frustrierendsten Sport der Welt begleitet, also über einen wahrlich „verdorbenen“ Gang über grüne Gräser.

Wir kennen das doch alle: was gestern gut war, das funktioniert heute nicht mehr. Seit Jahren schon nagelst Du deinen Ball immer mit größter Leichtigkeit und traumwandlerischer Sicherheit aus jeder beliebigen Entfernung tot an den Stock. Und wie verhext rasen plötzliche all Deine Bälle getoppt als Dackeltöter weit übers Grün hinaus. Der Bunker, dessen Existenz Dir über Jahre hinweg nicht einmal bewusst war, den triffst Du nun mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit auf so ziemlich jeder Runde. Und zwar ganz egal, wie Du dich ausrichtest oder welches Eisen Du aus der Tasche holst, der Bunker übt eine magische Anziehungskraft auf Deinen Ball aus. Vom Wasser rings um das fünfte Grün, mit all seiner bösen und ballfressenden Energie, ganz zu schweigen.

Aber alles halb so wild, Golf macht Spaß und so sind doch alle auf dem Platz erlittenen Qualen spätestens nach dem ersten kühlen Getränk auf der Terrasse nur noch belanglose Fußnoten einer heiteren und bisweilen gar lustigen Erzählung.

Überhaupt nicht lustig finde ich aber, was ich immer wieder auf unserem Platz sehen muss,   nicht im Entferntesten etwas mit meinem eigenen Spiel zu tun hat und mir dennoch größere Qualen bereitet als der dritte brandneue Pro V1, den ich mit einem blitzblanken Hook  Richtung Rollbahn entlasse. Was ich sehe, erweckt bei mir den Eindruck, als seien die Vandalen nach ihrem Abzug aus Rom mit 1500-jähriger Verspätung auf unserem Platz aufgetaucht um es nach alter Germanenart nochmals richtig krachen zu lassen.

Obwohl selbst Raucher, der nach einem Fehlschlag gerne mal einen Glimmstängel anzündet – also sehr, sehr oft – kann es doch nicht sein, dass die Kippe dann am Ende der nikotingestützten Mentaltherapie einfach aufs Fairway geschnippt wird. Hallo!! Dafür gibt es Müllereimer!! Die sind auf unserem Platz übrigens häufig anzutreffen und allein aufgrund ihrer Größe schon von Weitem – auch ohne Zuhilfenahme eines Lasermessgerätes – als solche zu erkennen. Und nein, es sind nicht die kleinen grünen Metallbehälter nahe der Abschlagsmarkierung, die von manch einem ernährungsbewussten Mitbürger so gerne zum Entsorgen der Bananenschale missbraucht werden. In diese kleinen putzigen Behälter werden allein die abgebrochenen Tees entsorgt um damit den Nachschub an „Schwaben-Tees“ für all jene zu garantieren, die direkt hinter uns spielen.

Und als sei das alles nicht schon schlimm genug, das elegante Umschiffen der uns von unseren Eltern mit einer Engelsgeduld eingebläuten Anstandsregeln findet gleich noch seine Steigerung bei einem Thema, das uns Golfern doch vor dem Abschluss unserer Platzreifeprüfung gebetsmühlenartig eingetrichtert wurde: die Etikette.

Während einer meiner letzten Golfrunde kam ich zu dem zweifelhaften Vergnügen auf achtzehn Loch insgesamt 63 – in Worten: dreiundsechzig – Pitchmarken ausbessern zu dürfen, wobei meine eigenen Todesstöße für unsere Grüns noch gar nicht mitgezählt wurden. Dass ich diese, also meine eigenen, als verantwortungsbewusster Golfer repariere, das ist für mich eine Selbstverständlichkeit. Aber scheinbar gehöre ich mit diesem – in den Augen manch Anderer – „naiven“ Denken schon fast zu einer vom Aussterben bedrohten Art.

Und im Sauseschritt gleich zum nächsten tränenreichen Thema: Divots. Nicht wenige Grasstücke lagen zum Teil nur einen halben Meter von der Stelle entfernt, aus der diese herausgeschlagen wurden. Aber auch das scheint so manchem Golfexperten egal zu sein, denn er selbst hat ja den Begriff des „Besserlegens“ aufs allerfeinste mit dem eigenen Spiel verwoben und verfährt genau auf diese Weise, wann immer der eigene Ball in einem Divot  eines anderen Spielers liegt. Was interessiert denn auch die golferische Grundmaxime, „den Ball zu spielen, wie er liegt“. Gilt doch nicht für mich, gilt nur bei den anderen …

War’s das? Mitnichten. Es gibt aus unserem Platz ja noch den einen oder anderen Bunker, von dem es zu berichten gilt. Zu diesen gemeingefährlichen Golferfallen sei gesagt, dass wir uns aufgrund der unsäglichen Plage namens „Corona“ zeitweilig daran gewöhnen mussten, unsere eigenen Spuren im Sand unter Zuhilfenahme von Schlägern oder den Schuhsohlen zu beseitigen, um das Hindernis anschließend für die anderen Spieler wieder in einem halbwegs vernünftigen Allgemeinzustand zurückzulassen. Dass das nicht für alle wirklich zufriedenstellend gelöst werden konnte, das mag jetzt einfach mal dahingestellt sein und war hoffentlich einfach nur eine traurige Episode in unserer Golfkarriere. Aber genauso wie all die Jahre vor Corona und auch jetzt, nachdem die Harken wieder zur Benutzung freigegeben sind, triffst Du auf Trampelpfade die den Eindruck erwecken, als habe die hochgeschätzte Frau Verteidigungsministerin vor Kurzem den Entschluss gefasst, in unseren Bunkern wieder die hohe Kunst des preußischen Stechschrittes üben zu lassen. Nein, nein werter Leser, hier wurde nicht einmal der Versuch unternommen, den müden Anschein einer Pflegemaßnahme zu erwecken. Warum auch? Ich hebe meinen Ball sowieso auf und wenn die nachfolgenden Golfer im Bunker landen sind sie doch selbst schuld. Ist doch mir egal. Anders kann ich mir das Denken einiger Zeitgenossen nicht erklären. Es sei denn, es steckt ein sehr viel edleres Ansinnen dahinter und ich bin einfach zu dumm, es zu erkennen. Will man vielleicht die Arbeitsplätze unserer „Dienstboten“ erhalten, die man landstrichweise auch unter der Bezeichnung „Greenkeeper“ kennt? Ich weiß es nicht, ich finde es einfach nur ungehörig, respektlos und unkameradschaftlich, wie einige Golferinnen und Golfer mit unserem Platz umgehen. Wobei die Betonung auf dem Wörtchen „unserem“ liegt, denn es ist nicht Dein Platz, genau so wenig wie es mein Platz ist. Es ist unser Platz.

Also, liebe Freunde des gepflegten Ballsports: keinem von Euch kann daran gelegen sein, dass irgendwann einmal in letzter Konsequenz eine solch harte Maßnahme wie ein zeitweiliges Platzverbot ausgesprochen wird. Aber genau das – sorry für die verbale Keule – wird aufgrund unserer Club- und Platzordnungen für einige Wenige irgendwann Realität. Denn sie glauben offensichtlich immer noch, die Regeln würden immer nur für die Anderen gelten. Nee, stimmt nicht; die Regeln gelten für alle.

Lasst uns bitte gemeinsam dazu beitragen, dass auch die Spielerinnen und Spieler hinter uns den Platz so vorfinden, wie wir dies selbst erwarten. Kostet nix, macht keine große Mühe – macht sogar ein kleines bisschen Spaß – und trägt dazu bei, dass unser Platz, um den uns wahrlich ’ne Menge SpielerInnen anderer Clubs beneiden, am Ende doch wieder zu einem verwöhnten Spaziergang einlädt.

Michael Kuhlen – 20.07.20